Unsere Ohren sind wie kleine Maschinen – Tore zur Welt des Klangs, die sowohl Flüstern als auch Lachen übertragen. Doch eines dieser komplexen Gebilde – die Ohrmuschel und der äußere Gehörgang – kann in seltenen Fällen zur Heimat bösartiger Zellen werden. Das sogenannte „Ohrkarzinom“ beginnt meist als Hautkrebs, kann jedoch bei verspäteter Diagnose das Hören, das äußere Erscheinungsbild und sogar die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Was ist Ohrkrebs?
Ohrkrebs bezeichnet bösartige Tumore, die durch unkontrolliertes Zellwachstum in den Geweben des Ohrs entstehen. Er lässt sich in zwei Hauptgruppen einteilen:
Tumore des äußeren Ohrs (Ohrmuschel und äußerer Gehörgang):
- Basalzellkarzinom (BZK): Die häufigste und langsam wachsende Hautkrebsform. Zeigt sich an der Ohrmuschel als kleine Wunden oder rosafarbene Knoten.
- Plattenepithelkarzinom (PEK): Aggressiver; kann sich zu verkrusteten, blutenden Läsionen oder nicht heilenden Wunden entwickeln.
- Melanom: Pigmentierte oder gefärbte Hautveränderung; kann schnell wachsen und tiefere Gewebeschichten erreichen.
Tumore des Mittel- und Innenohrs (selten):
- Keratozystischer odontogener Tumor, adenoid-zystisches Karzinom: Oft mit chronischen Infektionen oder früherer Strahlentherapie assoziiert.
- Paragangliom, Vestibularis-Schwannom (Akustikusneurinom): Meist gutartig, aber durch Druck auf umliegende Strukturen können sie Hör- und Gleichgewichtsprobleme verursachen.
Während äußere Ohrkarzinome bei früher Erkennung chirurgisch gut behandelbar sind, erfordern Tumore des Mittel- und Innenohrs eine multidisziplinäre Herangehensweise.
Ursachen von Ohrkrebs (Risikofaktoren)
UV-Strahlung und Sonnenschäden
Die Ohrmuschel ist eine der sonnenexponiertesten Körperregionen. Ohne Sonnencreme oder Hut erhöht sich das Risiko für Basalzell- und Plattenepithelkarzinome.
Chronische Infektionen und Psoriasis
Langfristige Entzündungen wie Otitis externa oder Otitis media fördern Zellmutationen durch beschleunigte Reparaturprozesse.
Strahlung und frühere Krebsbehandlungen
Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich kann Jahre später zu Tumoren in Haut oder tieferen Ohrstrukturen führen.
Chemikalienexposition
Langjährige Arbeit mit Arsen, Teer oder organischen Lösungsmitteln erhöht das Hautkrebsrisiko.
Helle Haut und familiäre Vorbelastung
Personen mit wenig Melanozyten, schnell sonnenbrandgefährdet oder familiärer Krebsvorgeschichte sind besonders gefährdet.
Immunsuppression
Medikamente nach Organtransplantation oder Erkrankungen wie HIV/AIDS schwächen die Immunabwehr und erhöhen das Krebsrisiko.
Wer ist besonders gefährdet für Ohrkrebs?
- Hellhäutige, sommersprossige Personen – mit starker Sonnenempfindlichkeit.
- Menschen, die viel im Freien arbeiten – Fischer, Bauarbeiter, Gärtner.
- Personen mit Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich
- Chronische Ohrenentzündungen – insbesondere bei Problemen im äußeren Gehörgang.
- Immungeschwächte Patienten – z. B. Organtransplantierte oder HIV-Positive.
- Personen über 50 Jahren – altersbedingte Schwächung der DNA-Reparaturmechanismen.
Wenn Sie zu einer dieser Gruppen gehören, machen Sie regelmäßige Ohrenuntersuchungen zur Gewohnheit – statt sich zu fragen: „Habe ich etwa Ohrkrebs?“
Diagnose- und Beurteilungsverfahren
Klinische Untersuchung und Otoskopie
Sorgfältige Sichtuntersuchung der Ohrmuschel und des äußeren Gehörgangs mit Lupe oder Dermatoskop.
Dermatoskopie und Fotodokumentation
Beurteilung von Farbe, Struktur, Gefäßen und Rändern der Läsion auf mikroskopischer Ebene; Verlaufskontrolle durch Fotodokumentation.
Biopsie
- Stanz- oder Inzisionsbiopsie: Bei oberflächlichen Läsionen wird unter Lokalanästhesie eine kleine Gewebeprobe entnommen.
- Exzisionsbiopsie: Bei größeren oder tiefergehenden Läsionen wird die gesamte Tumorregion entfernt und pathologisch untersucht.
Bildgebende Verfahren
- CT/MRT: Zum Nachweis von Knochenbeteiligung, Mittel-/Innenohrbefall oder Nähe zum Fazialisnerv oder zur Ohrspeicheldrüse.
- PET-CT: Bei Verdacht auf Metastasen oder Lymphknotenbefall.
Multidisziplinäre Beurteilung
Ein interdisziplinäres Team aus HNO-Arzt, Dermatologe, plastischem Chirurgen und Onkologen erstellt einen individuellen Therapieplan.
Behandlungsmethoden bei Ohrkrebs
Chirurgische Entfernung
- Weite lokale Exzision: Entfernung der Läsion mit einem Sicherheitsabstand von 5–10 mm bei äußeren Ohrkarzinomen.
- Parotis- und Lymphknotendissektion: Je nach Tumorgröße und Ausbreitung kann eine Operation an der Ohrspeicheldrüse oder den Halslymphknoten erforderlich sein.
Mohs-Mikrochirurgie
Schichtweise Entfernung mit sofortiger pathologischer Kontrolle – ideal für das Gesicht und den Ohrbereich bei maximalem Gewebeerhalt.
Strahlentherapie
Für Patienten, bei denen keine Operation möglich ist (z. B. hohes Alter, schlechter Allgemeinzustand) oder ergänzend nach der Operation zur lokalen Tumorkontrolle.
Chemotherapie und Immuntherapie
Bei seltenen Mittelohltumoren oder metastasierendem Plattenepithelkarzinom: Platin-basierte Chemotherapien oder Anti-PD-1/PD-L1-Immuntherapeutika können eingesetzt werden.
Rekonstruktive Chirurgie
Bei großflächigen Gewebeentfernungen: Wiederaufbau mittels lokalen Lappenplastiken, freien Transplantaten oder Ohrmuschelrekonstruktion.
Die Behandlung richtet sich nach Tumortyp, Ausbreitung, Alter und Gesundheitszustand des Patienten.
Warum ist die Wahl des richtigen Facharztes wichtig?
Ohrkrebs mag wie eine „kleine Hautläsion“ erscheinen – doch wegen der Bedeutung der Ohrform und des Hörvermögens ist eine präzise funktionell-ästhetische Behandlung unerlässlich. Ein ideales Team besteht aus:
- HNO-Spezialist / Kopf-Hals-Chirurg: Kennt die Auswirkungen auf Hör- und Gesichtsnerven.
- Dermatologe: Überwacht mögliche Hautausbreitung und Rückfallrisiken.
- Plastisch-rekonstruktiver Chirurg: Stellt die Form der Ohrmuschel möglichst naturgetreu wieder her.
- Strahlen- und medikamentöser Onkologe: Plant ergänzende Therapien wie Bestrahlung oder Immuntherapie.
Dieses multidisziplinäre Team achtet nicht nur auf die Tumorentfernung, sondern auch auf die Erhaltung der Ohrfunktion und Ästhetik.
Was erwartet den Patienten am Tag der Behandlung?
- Vorbereitungen am Morgen: Bluttests, EKG, Ernährungsstatus werden überprüft.
- Anästhesiegespräch: Entscheidung zwischen Lokalanästhesie (meist) oder Vollnarkose.
- Chirurgischer Eingriff: Dauer je nach Fall zwischen 30 Minuten und mehreren Stunden. Bei Mohs-Chirurgie erfolgt eine stufenweise Gewebeentnahme mit Pausen.
- Rekonstruktion: Nach großem Gewebeverlust ggf. mit Lappen oder Hauttransplantat.
- Aufwachen & Überwachung: Bei kleinen Eingriffen noch am selben Tag Entlassung möglich. Bei größeren Eingriffen 1–2 Tage stationärer Aufenthalt.
Das Behandlungsteam sorgt auch für eine entspannte Atmosphäre – manche sagen nach der OP sogar: „Jetzt kann ich den Wind mit meinen Ohren wieder hören!“
Heilungs- und Nachsorgeprozess
- 1–2 Wochen: Fäden werden nach 7–10 Tagen entfernt; Schwellung, leichte Schmerzen und Empfindlichkeit sind normal. Kühlung und Cremes lindern Beschwerden.
- 1–3 Monate: Schwellungen nehmen ab, Farbveränderungen am Lappen oder Transplantat werden überwacht. Sonnenschutz (Hut, SPF 50+) verhindert Pigmentstörungen.
- 6–12 Monate: Endgültige Form und Gefühl des Ohrs entwickeln sich; Hörtests kontrollieren Mittelohrfunktion.
- Jährliche Kontrollen: Rückfallrisiko ist gering, aber regelmäßige Kontrollen bei HNO und Dermatologie werden empfohlen.
Häufig gestellte Fragen
1. Bleiben Narben an der Ohrmuschel?
Je nach Operationstechnik kann eine feine Narbe entstehen; sie verblasst mit der Zeit durch die Regeneration des Unterhautgewebes.
2. Wird mein Hörvermögen beeinträchtigt?
Eingriffe an Ohrmuschel oder äußerem Gehörgang beeinflussen das Hören in der Regel nicht. Bei Eingriffen am Mittel- oder Innenohr sind Hörtests erforderlich.
3. Ist Mohs-Chirurgie schmerzhaft?
Dank Lokalanästhesie nahezu schmerzfrei; erfolgt meist in mehreren Sitzungen über einige Stunden.
4. Darf ich nach Bestrahlung in die Sonne?
Während und nach der Behandlung ist Sonnenschutz mit Hut und SPF 50+ Sonnencreme essenziell, um Lichtschäden vorzubeugen.
5. Besteht Rückfallgefahr?
Bei frühzeitiger Entfernung (z. B. durch Mohs-Chirurgie) sind die Heilungschancen sehr hoch. Regelmäßige Jahreskontrollen helfen, neue Läsionen frühzeitig zu erkennen.
Fazit und der erste Schritt
Ohrkrebs ist mehr als nur eine „kleine Kruste“ – er betrifft direkt das Hören und die äußere Erscheinung. Frühe Diagnose, multidisziplinäre Therapie und konsequente Nachsorge sind der beste Schutz. Zögern Sie nicht, bei auffälligen Veränderungen Ihre HNO-Ärztin oder Ihren Dermatologen aufzusuchen. Denn Ihre Ohren sind nicht nur für Klänge da – sie sind auch Wegweiser Ihrer Gesundheit!